Bei dieser beklemmenden Szenerie ergeben sich Schnittstellen zum heutigen Geschehen für die Mitglieder der "Drama Group" nicht nur im Hinblick auf die Situation in Irland: Auch die Krise am Golf trägt zur brennenden Aktualität des von den Schülern des Max-von-Laue-Gymnasiums selbsterarbeiteten Musicals "Eireen" bei. Über siebzig Mitwirkende boten unter der Leitung von Doris Haß und Bernd Höfer eine engagierte und erfolgreiche Premiere, die nachdenkliche Tendenzen nicht aussparte.

Sich überschneidende Handlungsstränge und Allegorien machen den Reiz des vielschichtigen Musicals aus. Der Untertitel "Musical of Mania and Misery" markiert den von wirtschaftlichen Problemen, Terror und Religionsfanatismus geprägten Alltag in Irland: Seit 1990 wütet der Bürgerkrieg, den Gangleader Sean zum Opfer gefallen ist. Unter dieser Absurdität menschlichen Handels leidet seine Schwester Eireen (Bettina Meinert), die mit ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Harmonie die "Grüne Insel allegorisch darstellt. Als Zuflucht dient der Titelheldin das Reich der irischen Naturgeister, der Fairies, die "myth and magic" des irischen Kulturkreis verkörpern.

Die natürliche Schönheit des Smaragds Irland erschließt sich mit der Zeit auch dem Glamour-Girl Gloria alias Kathy O'Mulligan (Kerstin Rueber), die in der alten Heimat nach ihrer verlorenen Identität sucht. Diese Welt des Show-Business bildet die dritte Handlungsebene, die Glorias rücksichtsloser Manager Frederick (Jörg Brockhoff) entscheidend mitbestimmt: Mit der Hoffnung auf eine vielversprechende Karriere versucht der moderne "Rattenfänger", die herumlungernden Jugendlichen zu ködern - ein Silberstreif am Horizont?

Große Bandbreite spiegelt auch die von Bernd Höfer komponierte und arrangierte Musik wider. Die professionellen Darbietungen seiner Band reichen von Folk, Ballade und Musicalsongs bis zum Rap und Rock.

Die Spielfreude aller Darsteller übertrug sich schon nach wenigen Minuten auf das von dem Engagement der "Drama Group" überraschte Publikum, das bei mitreißenden Melodien wie "Whiskey in the Jar" spontan mitklatschte. Obwohl die Mitwirkenden ihren Zuhörern im Laufe des Abends auch mit Entertainment-Arrangements wie "The heart of Rock'n'Roll" oder "One" aus "Chorus Line" unterhielten, blieb der Tenor ernst: Träumerische Melodien steigen bei "Castle on a Cloud" auf, in dem Eireen ihre Gedanken in einem Bewußtseinsstrom offenbart.

Zum Nachdenken brachte Helmut Haß die über 200 Zuschauer in der ausverkauften Aula nicht zuletzt mit Fotos, die ungeschminkt die irische Realität dokumentierten, ohne einen lehrhaften Eindruck zu hinterlassen. Das aktualitätsbezogene Konzept der "Drama Group" ging auf: Mit langanhaltendem Applaus antwortete das Publikum auf die dem Frieden verpflichtete Stellungnahme.

Sven Wirwohl